Stimmung unter Pflegefachkräften wird nur langsam besser
Mehr als die Hälfte der Pflegefachkräfte in Rheinland-Pfalz ist mit Job und Einkommen zufrieden. Das zeigt eine Umfrage der Landespflegekammer. Gleichzeitig bleibt die Arbeitsbelastung hoch: Zeitdruck, Dokumentationspflichten und fachfremde Tätigkeiten bestimmen den Arbeitsalltag. Rund 70 Prozent der Befragten berichten von körperlichen Übergriffen durch Patienten oder Angehörige, kritisiert Pflegekammerpräsident Markus Mai (Foto). Besonders junge Fachkräfte fühlen sich unzureichend vorbereitet und sind häufiger betroffen.
Lisa Treusch
Laut Markus Mai, Präsident der Pflegekammer Rheinland-Pfalz, haben 70 Prozent der Pflegefachkräfte schon Gewalt durch Patienten und Angehörige erlebt
Zum ersten Mal seit Beginn der Befragungen im Jahr 2019 zeigt sich eine knappe Mehrheit der Pflegefachkräfte in Rheinland-Pfalz zufrieden mit ihrer beruflichen Situation. Laut der aktuellen Umfrage der Landespflegekammer und des Instituts für Demoskopie Allensbach unter mehr als 1.200 Pflegefachkräften sind 51 Prozent mit ihrer Arbeitssituation und 53 Prozent mit ihrem Einkommen zufrieden. "Wir sehen eine erfreuliche Entwicklung bei der Zufriedenheit der Beschäftigten – sie darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die zentralen Probleme ungelöst bleiben", betont Kammerpräsident Markus Mai.
Nach wie vor klagen die Befragten über hohe Belastungen. 70 Prozent nennen den Zeitdruck und 73 Prozent den Verwaltungsaufwand als zentrale Probleme. Im Schichtdienst seien die Beanspruchungen besonders groß. In einer ergänzenden Befragung zeigte sich, dass rund ein Drittel der Pflegefachpersonen täglich bis zu zwei Stunden für die Dokumentation benötigt. Damit bleibt zu weniger Zeit für die direkte Versorgung. Die Kammer fordert deshalb vereinfachte Dokumentationspflichten, einheitliche Standards und den konsequenten Einsatz digitaler Verfahren. Fachfremde Tätigkeiten sollten Pflegefachkräfte nicht übernehmen müssen.
Gewalt gehört zum Arbeitsalltag
Ein weiteres Ergebnis der Umfrage ist, dass rund 70 Prozent der Pflegefachpersonen bereits körperliche Übergriffe durch Patienten, Bewohner oder Angehörige erlebt haben. Die Kammer spricht von einem gravierenden Problem und betont, dass Gewaltprävention keine alleinige Aufgabe der Einrichtungen sei. Benötigt würden refinanzierte Schutzmaßnahmen, verpflichtende Deeskalationstrainings sowie psychologische und medizinische Unterstützung für Betroffene.
Fast die Hälfte der unter 30-Jährigen fühlt sich fachlich unzureichend vorbereitet. Sie berichten überdurchschnittlich häufig von Gewalt und brechen die Ausbildung häufiger ab. Zugleich entscheiden sich immer weniger Pflegekräfte für eine Weiterbildung zur Praxisanleitung. Um diese Entwicklung zu stoppen, fordert die Kammer eine strukturierte Einarbeitung, Mentoring-Programme und eine gesicherte Refinanzierung von Weiterbildungsangeboten.
Kammerpräsident Mai warnt, ohne konkrete politische und strukturelle Verbesserungen drohe eine weitere Abwanderung aus dem Beruf. "Wenn Pflegefachpersonen immer mehr Zeit mit Dokumentation und fachfremden Tätigkeiten verbringen und zugleich Gewalt ausgesetzt sind, gefährdet das nicht nur ihre Gesundheit, sondern die gesamte pflegerische Versorgung", sagte der Kammerpräsident.
Thomas Hartung