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28. August 2025 | 07:00 Uhr
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Mailen

Gladbeck und Bottrop zeigen ganze Absurdität in der Pflege

Bundesweit scheitern Demenz-Wohngemeinschaften nicht an Konzepten oder Nachfrage, sondern an widersprüchlichen Vorgaben der Kommunen. Auf der Ruhrgebietskonferenz Pflege machten Kerstin Schönlau und Marina Kranich vom Diakonischen Werk Gladbeck-Bottrop-Dorsten deutlich, wie absurd die Unterschiede selbst zwischen zwei Nachbarstädten ausfallen können. Das Beispiel zeigt, wie ein Flickenteppich aus Regeln für Unsicherheit bei Anbietern, Bewohnern und Angehörigen sorgt und dringend benötigte Angebote ausbremst.

Wohngemeinschaft Demenz-WG iStock shironosov.jpg

Demenz-Wohngemeinschaften werden vor jeder Kommune anders behandelt

Pflegeeinrichtungen in Deutschland arbeiten nach bundes- und landesweiten Gesetzen. In der Praxis entscheidet jedoch häufig die Kommune, wie diese Regeln angewendet werden. Auf der Ruhrgebietskonferenz Pflege wurde dies als "Flickenteppich Pflege" bezeichnet. Besonders sichtbar wird dies bei Demenz-Wohngemeinschaften und der Auslegung des SGB XII. "Eine stark voneinander abweichende Rechtsauslegung je nach Kommune oder Kreiszugehörigkeit" erschwere die Versorgung, erklärten Kerstin Schönlau und Marina Kranich vom Diakonischen Werk Gladbeck-Bottrop-Dorsten.

Ein Beispiel sind Gladbeck und Bottrop

Wie gravierend die Unterschiede sein können, zeigen die beiden Nachbarstädte Gladbeck und Bottrop. In beiden Städten betreibt das Diakonische Werk Demenz-Wohngemeinschaften für jeweils 24 Mieter. In Bottrop gilt eine Leistungs- und Qualitätsvereinbarung mit Betreuungspauschale mit einem Deckel für den individuellen Hilfebedarf. Der Wohngruppenzuschlag wird angerechnet. Gladbeck hingegen arbeitet ohne feste Grundlage, prüft Einzelfälle und rechnet Betreuungsleistungen im Detail ab. Dort gilt: "Anerkennung des individuellen Hilfebedarfs – keine Deckelung". Der Wohngruppenzuschlag wird nicht angerechnet.

In Bottrop werden Betreuungsleistungen vom Sozialamt nicht als Hilfe zur Pflege verstanden. Antragsteller werden in die Regelbedarfstufe 2 eingeordnet und Leistungen für Wohnen und Betreuung vermischt. Es gilt der einfache Regelsatz bei der Berechnung der Einkommensgrenze. Im Kreis Recklinghausen, zu dem Gladbeck gehört, sieht es anders aus: Betreuungsleistungen werden als Leistungen der Hilfe zur Pflege verstanden und in Regelbedarfstufe 1 eingestuft. Zudem erfolgt eine getrennte Abrechnung und bei der Berechnung der Einkommensgrenze gilt der doppelte Regelsatz.

Bürokratische Hürden erschweren zusätzlich

Die Rechtsunsicherheit wird durch das behördliche Handeln verschärft. Lange Warte- und Bearbeitungszeiten von acht Monaten behindern die Arbeit. Bescheide weichen von Absprachen ab und Angehörige müssen Rechnungen in Vorkasse übernehmen. "Ohne Bescheid haben die Antragsteller keine rechtsgültige Grundlage zum Widerspruch", heißt es in der Dokumentation. Allein beim Diakonischen Werk Gladbeck-Bottrop-Dorsten laufen acht Widersprüche und zwei Klagen.

Auch bei den Unterkunftskosten zeigt sich ein Flickenteppich: Während sich Bottrop am unteren Drittel des Mietspiegels orientiert und Mehrkosten nicht anerkennt, wurden in Gladbeck lange Zeit die tatsächlichen Mieten vom Sozialamt übernommen. Zusätzlich kommt es zu Konflikten mit den Behörden: "Unangemeldete Begehungen der Gemeinschaftsflächen" greifen in die Privatsphäre der Mieter ein und stellen die Anbieter vor zusätzliche Auflagen.

Bundesweite Harmonisierung notwendig

Das Beispiel Gladbeck und Bottrop macht deutlich, dass Demenz-WGs nicht an Konzepten oder Nachfrage scheitern, sondern an fehlender Einheitlichkeit. In anderen Bundesländern berichten Träger von ähnlichen Schwierigkeiten. Die Verantwortlichen fordern deshalb ein Ende der kommunalen Willkür und eine Harmonisierung der Regeln. Nötig sei "die rechtsverbindliche Anerkennung von Demenz-WGs als besondere Wohnform sowie eine einheitliche, praxisnahe Regelung der Vertragsgestaltung".

Thomas Hartung

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