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12. September 2025 | 07:00 Uhr
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Korian ändert Strategie und setzt auf Multi-Standorte

Deutschlands zweitgrößter Pflegeanbieter Korian hat in den letzten zwei Jahren auffällig häufig Standorte verkauft oder geschlossen. Im Interview mit Care vor9 erklärt CEO Christian Gharieb (Foto), welche Strategie dahinter steckt. Der ehemalige Altenpfleger ist seit Juli Chef von Korian Deutschland, einem Tochterunternehmen des französischer Pflegekonzerns Clariane.

Korian hat sich positiv entwickelt, sagt Christian Gharieb: Die Auslastung ist von 87 Prozent auf fast 90 Prozent gestiegen

Herr Gharieb, wenn man in der Branche auf Korian zu sprechen kommt, taucht schnell die Frage auf: Was hat Deutschlands zweitgrößter Pflegeanbieter eigentlich vor? Denn es fällt auf, dass Sie in der letzten Zeit häufiger Standorte schließen oder verkaufen – wie zum Beispiel die Lebenswert-Einrichtungen für außerklinische Intensivpflege an Opseo und zwei Pflegedienste an Oxylis. Welche Strategie steckt dahinter?  

Christian Gharieb: In den vergangenen zwei Jahren haben wir unser Netzwerk in Deutschland gründlich überprüft – mit dem Ziel, uns konsequent auf unsere Kernaktivitäten in der Altenpflege zu konzentrieren und sicherzustellen, dass unsere Einrichtungen zukunftsfähig sind. Das hat einerseits dazu geführt, dass wir nicht zum Kerngeschäft gehörende Aktivitäten – wie die an Oxylis verkauften – abgegeben haben. Andererseits haben wir entschieden, einzelne Mietverträge nicht zu verlängern, wenn wir die Standards der Unterkunft – sei es pflegerisch oder auch klimatechnisch – nicht mehr für angemessen hielten. Diese Überprüfung nehmen wir regelmäßig vor. Wir wollen uns auf gute Standorte konzentrieren, an denen wir das passende Leistungsangebot bereitstellen können: stationäre Pflege, kombiniert mit ambulant betreutem Wohnen und Tagespflege, nahtlos integriert.

Heißt das, Sie konzentrieren sich jetzt auf Standorte, die sich zu Multi-Plattformen ausbauen lassen?

Genau. Wir sind überzeugt, dass diese Plattformen die richtige Kombination von Angeboten vereinen. Unser Ziel ist es, das Konzept weiter auszubauen – sowohl durch die Erweiterung bestehender Standorte als auch durch neue Projekte.

Können Sie etwas zu den Eröffnungen in diesem Jahr sagen?

Wir eröffnen zwei neue Einrichtungen in Hessen. Beide bieten stationäre Pflege und betreutes Wohnen. Es handelt sich um sogenannte Como-Einrichtungen – Como steht für Komorbidität. Dieses Angebot richtet sich in erster Linie an jüngere Pflegebedürftige ab Pflegegrad 3, die zusätzlich an einer chronischen psychischen Erkrankung und – beziehungsweise oder –  an einer Suchterkrankung leiden.

Dieses spezialisierte Modell gibt es in dieser Form nur in Hessen. Es basiert auf dem hessischen Rahmenkonzept „Komorbidität“, das eine Schnittstelle zwischen SGB XI und SGB IX bildet. Neben der Pflege spielen dabei auch Integration und Teilhabe eine zentrale Rolle. Ziel ist es, Menschen zu unterstützen, die chronisch erkrankt sind, voraussichtlich nicht völlig selbstständig leben können und neben pflegerischer Versorgung auch therapeutische Begleitung brauchen.

Wollen Sie auch in anderen Bundesländern in die SGB-IX-Versorgung gehen? Ein anderes privates Pflegeunternehmen erzählte mir, dass dieser Bereich den Vorteil hat, dass er nicht so hoch reguliert ist wie die SGB-XI-Versorgung.

Wir stehen solchen Konzepten offen gegenüber – vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen sind sorgfältig definiert, insbesondere in Bezug auf Personal und Finanzierung. Die Betreuung von Menschen mit Komorbidität unterscheidet sich deutlich von der Arbeit in einer klassischen stationären Einrichtung. Sie ist anspruchsvoll und erfordert besondere Aufmerksamkeit im Umgang mit dieser Klientel. Unsere Mitarbeitenden müssen dafür gezielt geschult und weitergebildet werden. In unserem europäischen Netzwerk gibt es Einrichtungen mit viel Erfahrung in Sucht- und Psychiatrieangeboten, von deren Expertise wir profitieren können.

Unser Schwerpunkt bleibt die stationäre Pflege – idealerweise kombiniert mit betreutem Wohnen und ergänzenden ambulanten Leistungen. Leistungen nach SGB IX sehen wir weiterhin als eine sinnvolle Ergänzung in bestimmten Bundesländern. Unser Ziel ist dabei sicher nicht, "weniger regulierte" Tätigkeiten zu suchen, wie Ihre Frage andeutet, sondern für unsere Bewohnerinnen und Bewohner die jeweils passendsten Lösungen mit höchster Qualität und einem nachhaltigen wirtschaftlichen Modell anzubieten.

Planen Sie mehr betreutes Wohnen? In die Richtung bewegen sich gerade viele Anbieter.

Betreutes Wohnen ist für uns ein Eckpfeiler der Zukunft, weil die Nachfrage stetig steigt. Gleichzeitig wird es aber auch künftig einen erheblichen Bedarf an stationärer Pflege geben. So sehr sich alle wünschen, zu Hause zu bleiben: Es kann der Punkt kommen, an dem – sei es durch Alleinleben, den Gesundheitszustand oder eine fortgeschrittene körperliche oder kognitive Einschränkung – ein Leben in einer Einrichtung die bessere und vorteilhaftere Lösung ist.

Im Einzelfall können auch Menschen mit höheren Pflegegraden – etwa 4 oder 5 – im betreuten Wohnen versorgt werden. Doch gerade für Menschen mit erheblichem Pflegebedarf sind Kommunikation, Pflege und ein geschütztes Umfeld entscheidend. Stationäre Einrichtungen oder Wohngruppen bieten hier häufig mehr Sicherheit und können Unruhe reduzieren.

Aus Sicht des Betreibers hat betreutes Wohnen ebenfalls Vorteile: Es bindet weniger Personal, während die Bewohner zusätzliche Leistungen individuell hinzubuchen können. Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels ist dieses Modell auch in dieser Hinsicht sehr attraktiv.

Wie ist bei Korian das Verhältnis zwischen stationärer Pflege und betreutem Wohnen?

Wir bieten betreutes Wohnen derzeit an rund 20 Prozent unserer Standorte an – mit etwa 3.100 Wohnungen im Vergleich zu rund 23.000 stationären Pflegeplätzen. Dieses Verhältnis wollen wir weiterentwickeln, weil betreutes Wohnen für immer mehr Menschen an Bedeutung gewinnt. Entsprechend wollen wir unser Angebot gezielt ausbauen.

Wo sehen Sie Korian in fünf Jahren?

Wir glauben fest an die Zukunft der stationären Altenpflege in Deutschland und positionieren uns hier als Best-in-Class-Betreiber – mit klaren Verpflichtungen gegenüber unseren Patientinnen und Patienten, unseren Bewohnerinnen und Bewohnern ebenso wie gegenüber unseren Mitarbeitenden und allen Stakeholdern.

Wir wollen dazu beitragen, das Betriebsmodell neu zu gestalten – auf Basis des digitalen Pilotprojekts "Pflege 2030", das wir vor zwei Jahren in unserer Einrichtung in Karlsfeld bei München gestartet haben, mit Unterstützung unserer Stiftung, des Freistaates Bayern, der Uni Bremen und des Fraunhofer-Instituts.

Unsere Priorität auf Ausbildung verdeutlicht dies sehr klar: Ich habe meine Laufbahn als Pflegefachkraft begonnen und alle Stationen der Pflege durchlaufen, bevor ich CEO wurde. Mein eigener Weg spiegelt damit die Philosophie unserer Gruppe wider, klare und verlässliche Qualifizierungspfade sowohl in der Pflege als auch in der Führung zu schaffen.

Als verantwortungsvoller Akteur wollen wir zudem eine aktive Rolle in der Weiterentwicklung des Gesundheitsmarkts in Deutschland übernehmen, mit politischen Entscheidungsträgern im Gespräch bleiben und uns in Verbänden engagieren. Als Vizepräsident des Arbeitgeberverbands Pflege bringe ich mich persönlich ein.

Sie sagen, Sie möchten Best in Class sein, es gehe nicht zwingend um Größe – was sagt Ihr Mutterkonzern in Frankreich dazu? Möchte er den Erfolg nicht auch in Zahlen sehen?

Bei Clariane wollen wir Best in Class sein – sowohl aus nicht-finanzieller als auch aus finanzieller Perspektive. Den Anfang machen unsere Qualitätsindikatoren und unsere HR. Wir sind ein Unternehmen mit gesellschaftlicher Verantwortung, also wertegeleitet, das Qualität ins Zentrum seines Handelns stellt. Gleichzeitig muss das Geschäft finanziell nachhaltig sein, damit wir weiter in unsere Mitarbeitenden, in die Digitalisierung und in unsere Einrichtungen investieren können. Erfolg in Zahlen ist daher kein Widerspruch, sondern die notwendige Grundlage, um unseren Auftrag zu erfüllen und langfristig Vertrauen bei Bewohnern, Angehörigen, Mitarbeitenden und Stakeholdern zu sichern.

Trotzdem müssen doch auch die Zahlen stimmen. Wenn Clariane auch mit dem Deutschland-Geschäft zufrieden sein müsste: Immerhin ist das operative Ergebnis 2024 um gut 20 Prozent auf 268 Millionen Euro gestiegen.

Konkret haben wir 2024 einen Umsatz von 1,25 Milliarden Euro erzielt – ein organisches Wachstum von 8,1 Prozent – und ein EBITDAR von 268 Millionen Euro. Unsere Auslastung ist von 87 Prozent im Jahr 2023 auf fast 90 Prozent im Jahr 2024 gestiegen. Dank dieser positiven Entwicklung und erfolgreicher Preisanpassungen liegt es nun an uns, für nachhaltiges Wachstum zu sorgen, das den demografischen und gesundheitspolitischen Herausforderungen unserer Gesellschaft gerecht wird. Wir verfügen in Deutschland über eine sehr starke Plattform und alle notwendigen Ressourcen – und wir sind entschlossen, sie voll auszuschöpfen.

Das Interview führte Kirsten Gaede 

Christian Gharieb kam vor 23 Jahren als Altenpfleger zu Korian und durchlief alle Ebenen des operativen Managements: Er arbeitete als Wohnbereichs-, Pflegedienst- und Einrichtungsleitung und Regionalmanager, bevor er 2019 Chief Operating Officer (COO) für Deutschland wurde. Im Januar 2025 wurde Gharieb zum stellvertretenden CEO von Korian Deutschland ernannt, wenig später, im Juli, wurde er Vorsitzender der Geschäftsführung. Gharieb ist außerdem Vizepräsident des Arbeitgeberverbands Pflege (AGVP).

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