Tägliche News für das Management von Pflege und Wohnen im Alter

27. Oktober 2025 | 20:58 Uhr
Teilen
Mailen

Warum Wundspezialisierung für Pflegedienste attraktiv ist

Miodrag Tomic (Foto) hat sich mit seinem Wiesbadener Pflegedienst "Fachpflege Tomicare" auf das Wundmanagement spezialisiert. Er ist seit eineinhalb Jahren der einzige in Hessen. Wirtschaftlich lohnt es sich für ihn noch nicht. Er ist jedoch sicher, dass sich das ändern wird, sobald es einen Rahmenvertrag mit den Krankenkassen gibt. Und: Andere Pflegedienste werden nachziehen.

Miodrag Tomic konnte viele Pflegefachkräfte mit Wundexpertise aus den Kliniken gewinnen 

Warum haben Sie beschlossen, sich ganz auf das Wundmanagement zu spezialisieren?

Ich habe gesehen, wie sich in den letzten Jahren, immer mehr Pflegedienste gegründet haben. Alle bieten im Grunde das Gleiche an. Da hatte ich das Bedürfnis, mich abzusetzen, ein Alleinstellungsmerkmal auszubilden. Das ist das eine. Die Voraussetzungen waren aber auch gut für uns: Wir hatten schon vor einiger Zeit die HKP-Richtlinien für die spezialisierte Wundversorgung erfüllt. Normale Pflegedienste haben normalerweise noch keine qualifizierten, weitergebildeten Fachtherapeuten, die die neuesten Anforderungen für die Behandlung chronischer und schwer heilender Wunden erfüllen und eine Weiterbildung mit 120 Stunden Theorie absolviert haben.

Wer kümmert sich normalerweise um die Wundversorgung in der häuslichen Pflege?

Bisher läuft es so, dass die Homecare-Unternehmen den niedergelassenen Ärzten einen Therapievorschlag machen und die Patienten mit Verbandsmaterial beliefern. Die klassischen ambulanten Dienste machen dann die Verbände. Doch viele möchten die Leistung eigentlich nicht mehr erbringen, weil, wie gesagt, die Anforderungen an die Pflegefachkräfte sehr hoch sind und die entsprechend bezahlt werden müssen.

Spezialisierte ambulante Dienste sind deshalb ganz im Sinne des Gesetzgebers. Es ist eben etwas ganz anderes, wenn eine Pflegefachkraft den ganzen Tag Verbände macht und nicht noch Insuline spritzt, Strümpfe anzieht etc. Sie entwickelt dann mit der Zeit einen Erfahrungsschatz, der zu sehr guten Ergebnissen führen kann.

Wie haben Sie es angestellt, für die Spezialisierung zugelassen zu werden? Gab es Probleme mit den Kassen?

Die Kostenträger haben noch keinen Rahmenvertrag aufgesetzt. Ich habe aber schnell per Einzelfallentscheidung eine Zulassung erhalten. Ich bin Mitglied im VDAB, dem Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe, der macht sich jetzt dafür stark, dass es einen Rahmenvertrag gibt und verhandelt mit den Kostenträgern. Inzwischen ist auch die Schiedsstelle involviert.

Es ist jedenfalls nicht sinnvoll, dass jeder für sich verhandelt. Bisher bin ich der einzige hier in Hessen mit der Spezialisierung. Bedarf für mehr Pflegedienste mit Wundmanagement-Spezialisierung gibt es in jeden Fall. Wir haben in eineinhalb Jahren 16.000 Wundversorgungen durchgeführt.  

Wie viele Mitarbeiter haben Sie?

Wir haben zwölf examinierte Pflegefachkräfte. Viele von ihnen haben vorher in der Klinik gearbeitet und kommen zu uns, weil sie an den Wochenenden frei haben möchten – und das haben sie bei uns. Zugleich sind sie mit ihrer Expertise gefordert – es wird für sie fachlich also nicht langweilig. Die erfolgreiche Fachkräftegewinnung ist ein großer Vorteil unserer Spezialisierung. Der Nachteil: Die Wundversorgung ist nicht immer kostendeckend…

Warum ist die Wundversorgung nicht kostendeckend?

Die Fachkräfte bekommen über 25 Euro die Stunde und werden unabhängig von der Auftragslage, entlohnt. Es müssen also kontinuierlich Umsätze eingespielt werden. Das ist nicht immer leicht, wenn man Mitarbeiter in Vollzeit beschäftigt. Hinzu kommt: Die Honorare der Krankenkassen sind nicht kostendeckend. Sie zahlen für einen Verbandswechsel rund 15 Euro – rechnerisch würde das drei Verbände je Stunde je Fachpflegekraft bedeuten, denn es sind auch die Lohnnebenkosten zu berücksichtigen. Das schafft sie unter Umständen gar nicht, denn sie muss dazwischen auch von A nach B fahren. Manchmal gibt es den Fall, dass ein Patient drei Wunden hat, dann wird jede einzeln abgerechnet, aber das ist nicht die Regel. So arbeiten wir also in Teilen defizitär.

Ein weiterer Faktor: Die Organisation unseres Pflegedienstes ist relativ aufwendig. Wir haben eine höhere Schlagzahl als ein klassischer Pflegedienst. Es gibt viele Neuanmeldungen, die Patienten kommen und gehen, die Fluktuation ist eindeutig höher. Es gibt bei uns Wochen mit 20 Anmeldungen. Da sind die Tourenpläne immer in Bewegung. Den Mitarbeitern gefällt das, immer neue Gesichter zu sehen und auf neue Herausforderungen zu treffen.

Wie soll es bei Ihnen weitergehen, wenn Sie nicht kostendeckend arbeiten können?  

Die Schiedsstelle ist jetzt auch deshalb eingesetzt, weil garantiert sein muss, dass wir kostendeckend arbeiten können. Wir werden noch nicht so vergütet, dass wir unsere Kosten komplett refinanziert bekommen. Man darf nicht vergessen, dass unsere Fachkräfte auch verpflichtet sind, zeitaufwendige Fortbildungen zu besuchen, genauer gesagt: zehn Zeitstunden pro Jahr. Auch die Zertifikate sind teuer. Bisher sind die Kassen leider noch nicht sehr einsichtig. Ich hoffe, dass sich das bald ändern wird.

Das Interview führte Kirsten Gaede

Newsletter kostenlos bestellen

Ja, ich möchte den Newsletter täglich lesen. Ich erhalte ihn kostenfrei und kann der Bestellung jederzeit formlos widersprechen. Meine E-Mail-Adresse wird ausschließlich zum Versand des Newsletters und zur Erfolgsmessung genutzt und nicht an Dritte weitergegeben. Damit bin ich einverstanden und akzeptiere die Datenschutzerklärung.